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Dieses Lebensgefühl braucht Gedichte als rettende Gegenkraft. "Fallschirm" fängt so an: "Tränennasses Gedicht / der äußersten Einsamkeit / du Netz über dem Abgrund / weißer Fallschirm / der sich öffnet im Sturz... " Hilde Domin bezog die "Geburt der Dichterin" in Gesprächen auf den Tod ihrer Mutter 1951. Inzwischen weiß man, dass sie schon vorher ihrem Mann Verse schickte. Doch nun erst schrieb sie systematisch, und darin steckt großartige Selbstbehauptung gegen den hochgebildeten Macho, den sie 1936 in Rom heiratete. Seit die beiden Studenten aus jüdischen Familien 1932 Deutschland verlassen hatten, war sie Palms Sekretärin, Helferin, Ernährerin. Mit ihren Gedichten setzt sie gegen seinen eigenen, wenig glücklichen Poetenehrgeiz ein Werk, weckt Eifersucht - und setzt sich durch in der Öffentlichkeit. Hilde domin gedichte ich estate den fuß in die luft . Domin wollte verstanden werden Als junge Dichterin hat sie sich damals gerne bezeichnet. Das passte insofern, als sie, auf hohem Niveau, Gefühl und Herzton in die Lyriklandschaft der Nachkriegsjahrzehnte brachte.
Ich richte mir ein Zimmer ein in der Luft unter den Akrobaten und Vögeln: mein Bett auf dem Trapez des Gefühls wie ein Nest im Wind auf der äussersten Spitze des Zweigs. Ich kaufe mir ein Decke aus der zartesten Wolle der sanftgescheitelten Schafe, die im Mondlicht wie schimmernde Wolken über die feste Erde ziehn. Ich schliesse die Augen und hülle mich ein in das Vlies der verlässlichen Tiere. Ich will den Sand unter den kleinen Hufen spüren und das Klicken des Riegels hören, der die Stalltür am Abend schliesst. Aber ich liege in Vogelfedern, hoch ins Leere gewiegt. Mir schwindelt. Ich schlafe nicht ein. Meine Hand greift nach einem Halt und findet nur eine Rose als Stütze. ( Hilde Domin: Gesammelte Gedichte, Fischer 1987) Sie ist klein und verrunzelt, sitzt auf dem Podium und zieht mich und das ganze Publikum in ihren Bann. Atemlos hören wir ihrer brüchigen Stimme zu. Sie ist 90 Jahre alt und in die Schweiz gereist, um ihre Gedichte vorzustellen. Trauerspruch 534 | Hilde Domin. «Steh auf, Adam», liest sie, und sie fordert uns auf, dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinzuhalten oder ohne Angst den Fuss in die Luft zu setzen.
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Interessant sind hier die beiden Sprachbilder, die der lyrische Sprecher in dem Gedicht gebraucht, das eine aus der Luft, das andere aus der Zirkuswelt. Sowohl der Vogel als auch der Akrobat befinden sich in der Höhe. Dieses Abheben von der Erde zeigt eine gewisse Unabhängigkeit, wobei der Vogel ein Symbol für Freiheit ist. Jedoch ist mit dem Bild des Akrobaten auch die Gefahr verbunden, zu fallen. Durch die Metapher "auf dem Trapez des Gefühls" wird die Unausgeglichenheit des lyrischen Ichs oder des Lebens an sich geschildert, ein ewiges Auf und Ab von Emotionen. Doch der darauffolgende Vergleich "wie ein Nest im Wind" zeigt, dass es wohl eher um die Gefühlswelt des Sprechers geht. Der Wind, ein Symbol für äußere Einwirkung bringt sein Nest, das Bett, das ja ein Ort der Ruhe und Regeneration ist, durcheinander und macht damit, was er will. Staff View: "Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug". In der letzten Zeile der Strophe wird dieser Vergleich noch einmal dadurch gesteigert, dass sich dieses Nest "auf der äußersten Spitze des Zweigs" befindet.
Wieder Becks RISIKOESELLSCHAFT zitierend fügt die Autorin an (25): mit dem Ausmaß der Gefahr wachse auch die Wahrscheinlichkeit ihrer Leugnung. Ein geradezu prophetisches Wort! (Wiederaufnahme / "Fortsetzung" von Hölderlins "Doch in Gefahr, zeigt sich das Rettende auch") – Nicht immer!
Es wird alles Innere nach außen gekehrt … ich denke, das gilt auch für in Malerei >eingewebte< Splitter von manchen Gedichten DOMINs in Bildern dieser Ausstellung. Einige der Gründe für die heutige Fremdenfeindlichkeit lägen in den Forderungen einer pluralen Gesellschaft an die einzelnen Menschen. Überlieferte Wertsysteme können nicht mehr fraglos übernommen werden. 1. Die Spannung zwischen Fremde und Heimat gehört zu den Grunderfahrungen menschlicher Existenz. 2. Die Autorin L. -R. zitiert zur gegenwärtigen Gesellschaftslage Ulrich Becks RISIKOGESELLSCHAFT: "Alles Leid-… (von) Menschen Menschen zugeführt … kannte bisher die Kategorie der >Anderen< … einerseits, andererseits die eigenen vier Wände" hinter die frau/man sich zurückziehen kann. Hilde domin gedichte ich setzte den fuß in die left 4 dead. (21) "Dies alles gibt es weiter und gibt es seit Tschernobyl / 1986 nicht mehr" so Beck 1986. Dies sei das "Ende der Anderen", das Ende unserer hochgezüchteten Distanzierungsmöglichkeiten. Atombomben und Atomunfälle können mondiale Auswirkungen haben wie die (bescheiden) "Klimawandel" genannte >zivile< Erdklima-Veränderungstendenz, eine vorausgesagte Katastrophe für Menschen in nicht mehr menschenfreundlicher Natur (~ 2050?
Vieles in unserem Leben ist erst vom Ende her zu verstehen. Vieles, was uns jetzt als sinnloses Zerbrechen, als Bruch erscheint, wird seinen Sinn erst aus der Rückwärts-Perspektive entfalten – diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht. Unser Glaube lebt mit dieser Hoffnung, dass sich einst die Scherben zu einem Ganzen unseres Lebens zusammenfügen, auch wenn wir es heute noch nicht erkennen, noch nicht verstehen.