actionbrowser.com
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils drei Versen, welche ein verschränktes Reimschema aufweisen. Die einzelnen Verse wirken beim erstmaligen Lesen wie eine wahllose Aneinanderreihung spontaner Sinneseindrücke, lassen jedoch bei genauerem Hinschauen eine Verengung des Blickwinkels, ähnlich eines Zooms, erkennen. Der Blick richtet sich vom Himmel auf die Stadt, auf einzelne Objekte dieser Stadt, um schließlich das Individuum zu erfassen. Die ersten beiden Verse beziehen sich direkt aufeinander und können als Gegenüberstellung von Natur und Stadt gedeutet werden. Im ersten Vers dominieren Naturmotive, wie Himmel und Vogel, im anschließenden Vers senkt sich der Blick auf die Stadt. Es bietet sich hier eine Interpretation an, welche die Bilder "Himmel" und "weißer Vogel" bezüglich ihrer christlichen Symbolik versteht. Die weiße Taube (welche in diesem Gedicht auf ihr natürliches Erscheinungsbild als Vogel heruntergebrochen wird), steht im Christentum als Symbol für den Heiligen Geist.
Das Gedicht "Siehst du die Stadt? " von Hugo von Hofmannsthal gehört nur insofern zum Thema "Expressionismus", als es einen Gegenpol markiert. Wir zeigen hier, was das Besondere und eben ganz Andere an diesem Gedicht ist. Hugo von Hofmannsthal Siehst du die Stadt? 01 Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht, 02 Sich flüsternd schmieget in das Kleid der Nacht? 03 Es gießt der Mond der Silberseide Flut 04 Auf sie herab in zauberischer Pracht. 05 So geisterhaft, verlöschend leisen Klang: 06 Sie weint im Traum, sie atmet tief und schwer, 07 Sie lispelt, rätselvoll, verlockend bang... 08 Der laue Nachtwind weht ihr Atmen her, 09 Die dunkle Stadt, sie schläft im Herzen mein 10 Mit Glanz und Glut, mit qualvoll bunter Pracht: 11 Doch schmeichelnd schwebt um dich ihr Widerschein, 12 Gedämpft zum Flüstern, gleitend durch die Nacht. (1890) Beginnen wir mit einer ersten grafischen Bearbeitung: Die grüne Farbe steht dabei für harmonisch wirkende Elemente, die rote für problematische, vielleicht sogar gefährliche.
Die Geschichte der Sintflut erhebt sie zum Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Die Farbe Weiß symbolisiert überdies Reinheit und Unschuld. In dieser Weise steht der Himmel über der Stadt. Er ist groß und hell, nichts bedrohliches haftet ihm an, als weißer Vogel schwebt er über ihr, breitet seine Schwingen über sie, so daß der Eindruck entsteht, er würde sie schützen. Im zweiten Vers richtet sich der Blick auf die Stadt. Die Deutung des Himmels als schützendes Element kann im zweiten Vers nicht bestätigt werden. Lichtenstein beschreibt eine Stadt, die sich "hart" unter diesem Himmel "duckt". Diese Personifizierung der Stadt läßt vermuten, daß hier nicht ausschließlich ein abstraktes architektonisches Konstrukt aus Gebäuden beschrieben werden soll. Vielmehr wird der Stadt durch das Stilmittel der Personifizierung Leben zugesprochen. Gemeint sind demnach weniger die Anzahl der Häuser, die eine Stadt definieren, als die Menschen, die sich in ebendiesem Lebensraum bewegen. Das Adjektiv "hart" wird im allgemeinen mit Starre, Unbeweglichkeit, bezüglich einer Gemütshaltung auch mit Gefühlskälte konnotiert.
Zum anderen ruft die Fellfarbe des Pferdes durchaus die Assoziation von Schimmel als zersetzendes Element hervor. Die Droschke könnte, als Relikt einer Zeit, in welcher das Auto noch nicht die Straßen beherrschte, romantisierend wirken. Da sie jedoch nicht im Fokus des Interesses steht, sondern lediglich dem Pferd als Charakteristikum dient, läßt sich hier nicht von einer romantischen Assoziation sprechen. Warum nun "glotzt" der Droschkenschimmel "griesgrämig"? Eine Interpretationsvariante kann dahingehend lauten, daß er durch Modernisierung und Technisierung seiner Aufgabe verlustig ging. Seine Zeit ist vorüber, er gehört der Vergangenheit an, wird nicht mehr gebraucht. Bezüglich seines körperlichen Zustandes ließe sich ebenso spekulieren, daß ihm, da seine Leistung nicht mehr gewünscht ist, auch die Nahrung verwehrt wird. Der "Droschkenschimmel" kann unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden. Zum einen steht er symbolisch für die Vergangenheit, hier vielleicht auch für die Menschen der Vergangenheit, für die aussterbende Vätergeneration.