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Kolumne von Barbara Bleisch Lass dich nicht verhärten Der Liedermacher Wolf Biermann sang schon 1968 gegen Verbitterung und Verhärtung an. Sein Aufruf passt heute genauso gut wie damals. Meinung Publiziert: 21. 12. 2021, 06:00 « Du, lass dich nicht verbittern i n dieser bitt ' ren Zeit. » Wolf Biermanns Lied war auf die DDR gemünzt, es passt gut in die Pandemie. Foto: Hans Bertram (Keystone) Eine Zeile geht mir nicht mehr aus dem Kopf: «Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit. » Sie stammt aus «Ermutigung», einem Lied von Wolf Biermann. Der deutsche Liedermacher mahnte darin schon 1968, angesichts der herrschenden Zustände nicht hart und bitter zu werden. Wie anders zu Beginn der Pandemie: Wir wurden von einer Welle der Solidarität erfasst, machten Aushänge mit Angeboten, für ältere Menschen einkaufen zu gehen. Eltern organisierten den Austausch von Brettspielen und Büchern, weil Schulen und Bibliotheken geschlossen waren. Musikensembles gaben Hofkonzerte. Die Krise als experimentelle Phase wurde zur Blaupause für soziale Innovation.
Wolf Biermann: "Ermutigung" "Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit. Die allzu hart sind, brechen, die allzu spitz sind, stechen und brechen ab sogleich, und brechen ab sogleich. Du, lass dich nicht verbittern in dieser bitteren Zeit. Die Herrschenden erzittern, sitzt du erst hinter Gittern, doch nicht vor deinem Leid, doch nicht vor deinem Leid. Du, lass dich nicht erschrecken in dieser Schreckenszeit. Das woll'n sie doch bezwecken, dass wir die Waffen strecken schon vor dem großen Streit, schon vor dem großen Streit. Du, lass dich nicht verbrauchen, gebrauche deine Zeit. Du kannst nicht untertauchen, du brauchst uns und wir brauchen grad deine Heiterkeit, grad deine Heiterkeit. Wir wollen es nicht verschweigen in dieser Schweigezeit. Das Grün bricht aus den Zweigen, wir wollen das allen zeigen, dann wissen sie Bescheid. Dann wissen sie Bescheid. "
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft Gemeinsamer Auftritt ausgewiesener Künstler: Am 4. November 1977 treten Wolf Biermann, Gerulf Pannach (29) und Christian Kunert (25) in der Eissporthalle in West-Berlin auf. Quelle: Archiv StAufarb, Bestand Klaus Mehner, 77_1104_KUL_DDRMusik_32 Vier Unerwünschte: Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 werden Christian Kunert, Gerulf Pannach und Jürgen Fuchs vom MfS verhaftet. Gerulf Pannach und Christian Kunert sind nahezu jedem Jugendlichen in der DDR bekannt, denn sie spielen in der Klaus Renft Combo, die im September 1975 verboten wird. Das Bild zeigt die drei nach ihrer Ausbürgerung im August 1977 zusammen mit Wolf Biermann in West-Berlin. V. l. n. r. : Christian Kunert, Gerulf Pannach, Wolf Biermann, Jürgen Fuchs. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Johanna Guschlbauer Jahrzehntelang hat die Staatssicherheit Wolf Biermann bespitzelt. Nach der Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes im November 1991 kann er nun im Januar 1992 erstmals seine Akten einsehen.
Er ist und bleibt auch in der Bundesrepublik ein unbequemer Zeitgenosse. Rückwirkend bestätigt Biermann die Folgen des schwerwiegenden Fehlers der DDR-Regierung: "Keine DDR konnte kippen, weil sie irgendeinen Mann mit Gitarre ins deutsche Exil jagt. Was Deutschland damals erschüttert hat, am meisten die DDR selbst, war der Protest gegen diese Ausbürgerung. " Zitierempfehlung: "Biermann - Die Biografie", hrsg. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e. V., letzte Änderung Oktober 2018, Wolf Biermann - Ermutigung Wolf Biermann - Warte nicht auf bessre Zeiten weitere Videos
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Mehr als 100 große Kisten voller Tagebücher, Manuskripte, Noten, Briefe, Fotos, zeithistorischer Dokumente - der Liedermacher Wolf Biermann ("Warte nicht auf bessre Zeiten") hat der Staatsbibliothek in Berlin sein privates Archiv vermacht. Während einer Feierstunde überreichte er am Dienstag in Berlin symbolisch seine Handschrift des Liedes "Ermutigung" mit dem bekannten Beginn "Du, lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit" an die bisherige Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf. "Ich muss mir ja nicht selber hinterher reden", sagte Biermann und präsentierte dafür einige seiner Lieder als Beispiele verschiedener Schaffensphasen. Darunter waren neben "Ermutigung" etwa das regimekritische "Das macht mich populär", "Die Ballade vom preußischen Ikarus" oder "Die Mainacht" über seine Begegnung mit der Freiheit in Paris. Die Staatsbibliothek hat das private und berufliche Archiv sowie die persönlichen Tagebücher des 84-Jährigen mit Hilfe des Bundes sowie der Kulturstiftung der Länder erworben.
Hamburg – Ost-Berlin – Hamburg: Vom Regen in die Jauche Wolf Biermann wird Kandidat der SED, aber auf Weisung von ganz oben nicht aufgenommen. Er kommt immer radikaler mit der Staatsmacht in Konflikt. Seine Lieder und Texte können in der DDR nur unter der Hand als Abschriften und Tonbandkopien weitergereicht werden. 1962 beginnt seine Freundschaft zu dem Regimekritiker Robert Havemann. 1965 erscheint in der Bundesrepublik sein Lyrikband "Die Drahtharfe", nach dessen Veröffentlichung Wolf Biermann in der DDR mit totalem Publikations- und Auftrittsverbot belegt wird. 1976 lässt die DDR-Führung Wolf Biermann auf Einladung der westdeutschen Industriegewerkschaft Metall zu einer Tournee in die Bundesrepublik aufbrechen. Drei Tage nach diesem ersten Konzert, am 16. November 1976, entzieht ihm die DDR ihre Staatsbürgerschaft. Der überzeugte Kommunist Wolf Biermann muss nun unfreiwillig im Westen bleiben und geht zurück nach Hamburg. Er singt: "... gekommen bin ich... vom Regen in die Jauche. "