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Es ist der Stoff, aus dem die kunsthistorischen Mythen entstehen. Eine Frau, die in desolaten Familienverhältnissen aufwuchs, ihr Leben lang als Kindermädchen arbeitete und in mehr als fünfzig Jahren ein gewaltiges fotografisches Werk schuf, das niemand je sah und erst nach ihrem Tod öffentlich wurde. Vivian Maier, die nach ersten Ausstellungen 2010/11 in Århus, Oslo und Chicago praktisch über Nacht weltbekannt wurde und seither Menschen in aller Welt begeisterte, erreichte postum das, wonach sie zeitlebens offenbar nie gestrebt hatte: die Anerkennung als Künstlerin und, mehr noch, die feste Verankerung im Kanon der Fotogeschichte. Dass die Menschen von ihr so in Bann geschlagen werden, hat mit der romanhaften Geschichte ihres Lebens und ihrer Entdeckung zu tun, mit der unglaublichen Zahl von 150. 000 völlig unbekannten Bildern, die 2007 bei einer Auktion in Chicago auftauchten – die meisten als Negative, von denen Maier nie Abzüge gemacht hatte, rund 40. 000 als Farbdias, zahllose noch verborgen in Hunderten von unentwickelten Rollfilmen.
Wir haben also Material an der Hand, dass uns eine Verknüpfung mit der Fotografin herstellen läßt. Wir versuchen uns ein Bild von ihr zu machen. Worüber dachte Sie nach? Was läßt sie auf dieser Porträts so entrückt erscheinen? Dann ist für die ältere Generation die Welt der 50er, 60 und 70er Jahre relativ vertraut, aus eigenem Erleben, aber auch allein dadurch, dass diese Jahrzehnte für die Fotografie von besonderer Bedeutung waren. Für heutige Generationen bis ins mittlere Lebensalter hinein, sind dagegen die 50er Jahr so weit entfernt wie die 30er Jahre für die Älteren. Jetzt kommt Vivian Maier mit einem gänzlich anderen Look, der unser aller Bild einer Zeit wenn nicht völlig neu formt so doch entscheidend nachjustiert. Verschiedene Generationen haben sie mit ihre Sicht auf die Welt aus unterschiedlichen Gründen als eine der letzten großen Fotografinnen neu entdeckt. Vielleicht gibt es in unserem digitalen Zeitalt keine wirklichen Großmeister der Fotografie mehr, weil wir digitale Medien ganz anders konsumieren.
Als Maloof die Fotos auf Flickr veröffentlichte, war die Resonanz sehr groß. Danach machte er es sich zur Aufgabe, weitere Bestände aufzukaufen, die Bilder zu scannen und in Form von Ausstellungen und Bildbänden der Öffentlichkeit zu zeigen. In der aktuellen Ausstellung im Berliner Willy-Brandt-Haus sind viele neue, bislang noch nicht gezeigte Fotografien aus der Sammlung Maloofs zusammengetragen. Ich hatte letzte Woche im Rahmen eines Berlin-Aufenthaltes die Gelegenheit zu einem Besuch. Die bekanntesten Fotografien von ihr kenne ich aus dem Bildband "Die Straßenphotographin". Hier noch einmal neue Bilder zu entdecken, die bei allen Besuchern Faszination und Schmunzeln hervorgerufen haben, war großartig. Wer bis zum 06. 01. in Berlin ist, sollte die Gelegenheit für einen Besuch nutzen. Solange geht die Ausstellung noch. Verlinkung: Dokumentation " Finding Vivian Maier" auf Amazon Prime Video: Maloofs Webseite zu seiner Flohmarkt-Entdeckung: Aktuelle Ausstellung " Vivian Maier. In her own hands. "