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Den Abend werde ich wohl nie vergessen, Denn mein Gedächtnis ist oft sehr brutal. Du riefst: "Auf Wiedersehn". Ich nickte stumm. - Indessen Ich wusste: dieses war das letzte Mal. Als ich hinaustrat, hingen ein paar Sterne Wie tot am Himmel. Glanzlos kalt wie Blech. Und eine unscheinbare Gaslaterne Stach in die Augen unbekümmert frech. Ich fühlte deinen Blick durch Fensterscheiben. Er ging noch manche Straße mit mir mit. - Jetzt gab es keine Möglichkeit zu bleiben. Die Zahl ging auf. Wir waren beide quitt. Da lebt man nun zu zweien so daneben... Was bleibt zurück? - Ein aufgewärmter Traum Und außerdem ein unbewohnter Raum In unserm sogenannten Innenleben. Das ist ein neuer Abschnitt nach drei Jahren, - Hab ich erst kühl und sachlich überlegt. Dann bin ich mit der Zwölf nach Haus gefahren Und hab mich schweigend in mein Bett gelegt... Ich weiß, mir ging am 4. Januar Ein ziemlich guterhaltnes Herz verloren. - Und dennoch: Würd ich noch einmal geboren, Es käme alles wieder, wie es war... - Mascha Kaléko - - Mascha Kaléko - Rezitation: Alix Dudel Gitarre: Sebastian Albert
Biografie: Mascha Kaléko war eine deutschsprachige, der Neuen Sachlichkeit zugerechnete Dichterin.
Das schläft, solang die Lippen es verhüllen, Entschlüpft nur unbewacht, um zu verwirrn. Was war es doch? Ein Nichts. Ein dummes Wort... So kurz und spitz. Leis fühlte ich das Stechen. In solchen Fällen kann ich selten sprechen, Drum ging ich fort. Nun wird ein Abend wie der andre sein. Sinnlos mein Schweigen, ziellos mein Beginnen. Leer wird die Zeit mir durch die Finger rinnen. Das macht: ich weiß mich ohne dich allein.... Ich muß schon manchmal an das Ende denken Und werde dabei langsam Pessimist. So ein paar Silben können kränken. - Ob dies das letzte Wort gewesen ist?
1934 druckt Rowohlt ihr Kleines Lesebuch für Große und 1935 eine Neuauflage des Erstlings. Nach weiteren Angriffen durch die Nazi-Presse und ihrem Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer (August 1935) emigriert Kaléko schließlich 1938 mit ihrem zweiten Mann, dem Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver, nach New York. Dort verfasst sie, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, u. Werbetexte für Toilettenartikel und Unterwäsche. Neben Dolmetschertätigkeiten für Vinaver, der weiter dirigiert und komponiert, bleibt ihr wenig Zeit für eigene Produktionen. Erst 1945 erscheinen im Schoenhof-Verlag, Cambridge, Massachusetts, ihre "Verse für die Zeitgenossen". Eine Lizenzausgabe kommt in Deutschland als erste Veröffentlichung nach dem Krieg erst 1958 bei Rowohlt heraus. Sie beschert ihr das lang ersehnte Comeback. Ihre Bücher werden wieder aufgelegt, sie wird zu Lesereisen und Rundfunkinterviews eingeladen. Den Höhepunkt ihrer Karriere stellt die Nominierung für den Fontanepreis 1960 dar. Sie zieht ihre Kandidatur jedoch aufgrund der früheren SS-Zugehörigkeit des Jurymitglieds Hans Egon Holthusen zurück.
Fast muten die Zeilen an wie eine Selbstbeschwörung. Ängste plagen und belasten das Leben. Es sind Ängste ums Überleben: Wird genug da sein? Reicht das, was ich habe, bis zum Ende? Was, wenn ich etwas verliere? Kann ich etwas abgeben, wenn jemand etwas von mir wünscht oder fordert? Mit solchen Fragen treibt sich das Ich um und sagt dann selber: Lass sie sein. Es wird alles reichen. Es ist genug. Schau genau hin: So viel brauchst du gar nicht. Wenn du helfen kannst, hilf, schlussendlich gehört nichts wirklich dir. Und irgendwann trittst du die letzte Reise an. Sei darauf vorbereitet. Das Leben nimmt seinen Lauf und wir können wenig daran ändern. Statt aber zu geniessen, was gut ist, leiden wir durch unsere Ängste schon, bevor die Dinge eintreten, die wir fürchten. Wie hilfreich wäre hier eine gelassenere Sicht und vor allem auch das Wissen: Alles ist vergänglich, nicht nur Glück, auch das Leid. Die Botschaft erinnert an die Stoiker, allen voran Epiktet, welcher genau das als Rezept für ein gutes Leben anführt: Schaue auf dein Leben, schaue, was du in der Hand hast und was nicht.