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Aufnahme 2005 Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und kam die goldene Herbsteszeit Und die Birnen leuchteten weit und breit, Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, Der von Ribbeck sich beide Taschen voll, Und kam in Pantinen ein Junge daher, So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer? « Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn, Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn. « So ging es viel Jahre, bis lobesam Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit, Wieder lachten die Birnen weit und breit; Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab. Legt mir eine Birne mit ins Grab. « Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, Trugen von Ribbeck sie hinaus, Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht Sangen »Jesus meine Zuversicht«, Und die Kinder klagten, das Herze schwer: »He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer? « So klagten die Kinder. Das war nicht recht – Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht; Der neue freilich, der knausert und spart, Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Realer Hintergrund "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" hat einen realen Hintergrund in der Person von Hans Georg von Ribbeck (1689-1759). Aus der Grabesgruft derer von Ribbeck wuchs seinerzeit tatsächlich ein Birnbaum, bis dieser am 20. Februar 1911 einem Sturm zum Opfer fiel. Der Stumpf dieses Baumes steht noch heute in der Dorfkirche von Ribbeck im Landkreis Havelland. Das heutige stattliche Schloss Ribbeck wurde 1893 mit neubarocken Formen im Nauener Ortsteil Ribbeck im Landkreis Havelland/Brandenburg errichtet. Es ist heute als Museum zum Leben und Werk von Theodor Fontane eingerichtet und dient zugleich als Standesamt, Restaurant und Parkcafé. Vor diesem Bau stand seit 1822 an gleicher Stelle ein Landhaus, und noch früher ein Herrschaftshaus - das herrschaftliche Anwesen derer von Ribbeck. Die Botschaft des Gedichtes Vordergründig ist die Sache klar: Der alte Schlossherr von Ribbeck ist ein guter und kinderliebender Mensch. Wenn im Herbst die Birnen im Schlossgarten reif sind, verteilt er diese an die Schulkinder.
In den letzten beiden Strophen steigt die Handlung wieder an, bis für die Kinder der alte Zustand wiederhergestellt ist: sie erhalten die Birnen jetzt von dem Baum auf Ribbecks Grab. Auch hier sind die letzten zwei Verse wieder eine Art Resümee. Dadurch erhält die Ballade Symmetrie und Einrahmung, die sich sogar in der Wortwahl des ersten und letzten Verses spiegelt. In jeder Strophe finden sich ähnliche Wendungen und Formulierungen, die sich als Versatzstücke wie ein roter Faden durch das Gedicht ziehen und es zusammenhalten. Fontane erreicht damit zweierlei: Er imitiert den Ton volkstümlicher Balladen und zeigt durch Anwendung des Variationsprinzips (andere Wortwahl, andere Zusammenhänge) zugleich virtuose Meisterschaft in der Behandlung der Bausteine, mit denen er das Gedicht durchkomponiert. Die Ballade enthält normalerweise Merkmale der drei literarischen Gattungen, was auch hier der Fall ist. Als Erzählgedicht bedient es sich der Gestaltungsmerkmale von Lyrik (Verse, Versmaß, Reim) und Epik (Handlungsverlauf darstellen).