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Jens Siegert leitete bis Sommer 2015 das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau. Jens Siegert wohnt weiterhin in der russischen Hauptstadt und bloggt regelmäßig unter
Nur noch wenige Menschen in Russland glauben, dass Putin das Land wieder wirtschaftlich (und damit auch sozial) voranbringen kann. In den 2000er Jahren hatten wirtschaftliche Stabilität und Wachstum einen großen Teil der Legitimität Putins ausgemacht. In den 2010er Jahren der (Wieder-)Aufstieg zur – mehr gefürchteten denn geachteten – Großmacht. Auch diese (Macht-)Ressource ist weit weniger wirksam geworden. Das verstärkt noch einmal die Rolle dessen, was Putin und viele in seiner Umgebung (wohl auch biographisch bedingt) am besten verstehen: Gewalt. Das dürfte die nächste Zukunft bestimmen. Jens siegert moskau videos. Eine kleine Beobachtung am Rande: Autoritäre Herrschaft zeichnet sich meist durch mehr Freiheiten im Zentrum als an der Peripherie aus. Mit voll ausgebildeten Diktaturen ist es oft umgekehrt. Bis vor kurzem war Moskau (und, mit Abstrichen, St. Petersburg) die Hochburg der Opposition. Hier war noch Vieles möglich, was anderswo schon längst nicht mehr denkbar war. Hier gab es eine ganze Reihe oppositioneller Kommunalabgeordneter.
Jetzt käme es niemandem mehr in den Sinn zu sagen, dass Russland ein unpersönliches und kaltes Land sei! Beleidigung als Kommunikationsform Russen sind oft eingeschnappt. Als ich nach Russland zog, war ich darauf noch nicht gefasst. Hier ist dies eine besondere Form der sozialen Kommunikation. Die Regel funktioniert auch umgekehrt: Wenn du willst, dass deine Gefühle in Russland ernst genommen werden, musst du beleidigt sein! Sogar auf der Arbeit. Dabei werden die Russen nicht nur durch Kritik oder mangelnde Aufmerksamkeit gekränkt, sondern eigentlich durch alles Mögliche. Jens Siegert, Autor bei Russland verstehen. Aber mithilfe eben dieser Kränkungen drücken die Menschen hier ihre Gefühle aus. Und wissen Sie, was? Auch ich schnappe jetzt ein! Zuerst habe ich es bewusst gemacht, jetzt ertappe ich mich immer öfter bei dem Gedanken, dass ich dieses Verhalten nicht mehr kontrollieren kann. Moskau kann man nicht lieben! Meine Freunde sagen, ich hätte mich in einen Russen verwandelt. Warum sie das glauben? Ich fluche auf Russisch vor mich hin.
Ich beginne das Buch mit zwei Überschriften: Ich liebe Russland, weil es so homogen ist und Ich liebe Russland, weil es so heterogen ist. Das klingt widersprüchlich, ist es aber nicht. Im Altai und in Moskau wird die gleiche Sprache gesprochen. In Deutschland braucht man in manchen Regionen nur 20 – 30 km zu fahren und wird bereits einen anderen Dialekt hören, eine andere Architektur erblicken und manchmal sogar andere Speisen vorgesetzt bekommen. In diesem Sinne ist Russland sehr homogen. Aber gleichzeitig leben in diesem riesigen Land mehr als 180 Nationalitäten, die Klimazonen erstrecken sich von der Tundra mit ihrem Permafrostboden bis hin zu den Subtropen. Diese Vielfalt und Einheitlichkeit zeichnen den nationalen Charakter aus. Jens Siegert | Heinrich-Böll-Stiftung. Das Material wurde zusammengestellt von Daria Aminowa. Übersetzung aus dem Russischen. >>> Die Deutschen und Sankt Petersburg: Eine lange Geschichte Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.