actionbrowser.com
November 24, 2015 / in Bissiges vom Balkon / Der personelle Stabilitätsfaktor in den Schulen sind die Schüler. Klar. Sie sind am längsten anwesend. Bei den Lehrpersonen dagegen herrscht ein dauerndes Kommen und Gehen. Mehr als zwei Drittel arbeiten Teilzeit, häufig in kleinen Pensen. Viele schöpfen aus genau dieser Quelle ihre berufliche Motivation. In entsprechend atomisierten Teilmengen sind die Verantwortlichkeiten organisiert – inhaltlich, zeitlich und räumlich. Damit einher geht ein Prinzip der Abgrenzung und der Nichtzuständigkeit. Und das ist ungefähr das Gegenteil von dem, was es braucht, um ein Kind zu erziehen: ein ganzes Dorf. Dörfliche Strukturen leben von einer vielfältigen Vernetzung und bilden auf diese Weise ein transparentes Bezugssystem. Das vermittelt das Gefühl, auf differenzierte Weise wahrgenommen zu werden. Kommunikation mit dem Einzelnen ist damit auch Kommunikation mit dem System. Das heisst: Wer sich nützlich macht, wird eine breitere Anerkennung finden. Und wer sich daneben benimmt, kann nicht so mir nichts dir nichts in die Anonymität entwischen.
Alle Beiträge Die Texte unserer Radiosendungen in den Programmen des SWR können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen. Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an. SWR2 Wort zum Tag "Um Kinder zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf". Ein afrikanisches Sprichwort. Ich verstehe darunter ein Beziehungsnetz, in dem Kinder und Eltern integriert sind: Großeltern und Freunde, Nachbarn und Jugendtrainer beim Sport, Lehrer und Erzieherinnen, und die Gemeindereferentin von der Kinderkirche. Für die Erziehung eines Kindes braucht man viele, nicht nur die Eltern oder gar nur die Mutter. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Betreuung – sondern um Haltungen und Werte, die wir unseren Kindern vermitteln möchten. Ein Kind muss die Erfahrung machen, dass Werte grundsätzlich gelten, etwa der Respekt vor anderen Menschen oder die Verantwortung für das, was man tut. Erziehung, die Kindern Werte vermitteln möchte, braucht Gemeinschaften, in denen diese Werte Gültigkeit haben und gelebt werden. Das macht Erziehung heute schwieriger als früher.
Als mein Bruder von einem Auto angefahren wurde, waren auch gleich Nachbarn zur Stelle. Für einen Tag waren wir das Dorfgespräch, Gott sei Dank ohne größere Blessuren. Die ersten Mentoren Wichtig für meine Entwicklung waren sicherlich auch die Erzieher: Im Kindergarten und später in der Schule. Musikalisch konnten sie mir nicht helfen: Den Flötenunterricht habe ich bis heute in schräger Erinnerung. Doch an meinen Grundschullehrer Herrn Beha – ein unvergesslicher Name – förderte und forderte unsere Klasse ganzheitlich. Unvergesslich ist die Schulwanderung von unserem Dorf auf den höchsten Berg der Region. Als achtjähriger Junge kam er mir vor wie das Matterhorn. In aller Früh begann unsere Klasse mit dem Aufstieg über 1. 000 Meter und wir waren stolz wie Oskar, als wir gemeinsam das Ziel erreichten. Auf dem Gipfel warteten keine Eltern auf uns und auch kein Bus – also wieder per pedes alle runter ins Tal. Wichtig für meine Entwicklung war auch die Sonntagschule. Während die Erwachsenen der Predigt folgten, reisten wir Kinder in fremde Kulturen.
Wie viele ländliche Kommunen kämpft auch Mengerskirchen um jeden Einwohner. Inzwischen sind die Franz-Leuninger-Schule und das großartige Unterstützungsangebot des Bildungsforums ein wichtiger Grund für berufstätige Eltern, den längeren Fahrtweg zur Arbeit im Kauf zu nehmen. "Unsere Eltern sagen uns: Gott sei Dank wohnen wir hier und haben Euch", berichtet die Schulleiterin. Das hörte sie auch immer wieder in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie. In Mengerskirchen ist vieles möglich: Als im ersten Lockdown nur Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen in die Notbetreuung durften, besorgte die Schule, wo es nötig war, einen Babysitter für Zuhause. Den hat der Förderverein bezahlt. Wurden in der Kita Erzieher krank oder fielen aus, weil sie der Risikogruppe angehören, schickte die Grundschule Studenten aus ihrem Personalpool. Auch umgekehrt hilft man sich. Nach den ersten Monaten in der Corona-Pandemie machten dann alle Bestandsaufnahme. "Wir fragten die Eltern, was wir besser machen können", sagt die Schulleiterin.