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Hinterher großen Mauer, da lag die Ostzone, wie wir sie nannten. Davon konnte unser kleiner Sohn noch nichts oder zumindest nicht viel wissen, denn 1989 geboren, wuchs er genau in eine Zeit hinein, in der Deutschland wieder einmal Geschichte schrieb: Die Wende. Die Ereignisse kurz vor dem Mauerfall verfolgten meine Familie und ich sehr interessiert und wir freuten uns riesig, als dann endlich die Öffnung der Mauer bekanntgegeben und gefeiert wurde. Heute fängt mein Leben an (2006). Um ehrlich zu sein, als die bewegenden Bilder im Fernsehen übertragen wurden, standen mir die Tränen in den Augen, endlich e i n Deutschland. Doch mehr Auswirkungen hatte die ganze Sache zunächst für mich und meine Familie nicht. Wir lebten in Darmstadt, weit entfernt von den neuen Bundesländern. Meine Freundin jedoch wurde schon bald unmittelbar von der Umsetzung der Wiedervereinigung berührt. Ihr Mann lebte nämlich über Jahre hinweg für 5 Tage in der Woche in Erfurt, um bei der dortigen Oberfinanzdirektion seiner Arbeit nachzugehen. So rückte auch für mich der Osten Deutschlands ein wenig näher, ohne jedoch in mein Leben einzugreifen.
Ja, und dann kam der Tag, an dem mir meine Freundin eröffnete, dass auch sie mit den Kindern in die Nähe von Erfurt ziehen würde. Ich weiß noch, wie wir uns tränenreich verabschiedeten und einander versprachen, den Kontakt trotz der kilometerweiten Entfernung aufrecht zu erhalten. Schon 2 Wochen später stand ich bei ihr vor der Tür, – mein erster Besuch in den neuen Bundesländern, der einen absolut positiven Eindruck bei mir hinterließ. Trotzdem dachte ich, mein Leben würde so weitergehen wie bisher, von gelegentlichen Abstechern im neuen Teil Deutschlands mal abgesehen. – Weit gefehlt! Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich einen DIN A4 – Umschlag mit den Bewerbungsunterlagen meines Mannes für eine Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus in den Briefkasten warf. Jetzt fängt mein neues Leben an – life tells stories. "Das wird doch eh' nichts", dachte ich und hatte die Sache auch gleich wieder vergessen, bis nach unserem Sommerurlaub plötzlich die Antwort ins Haus geflattert kam. Cottbus, mein Gott, wo war das eigentlich genau?
Die folgende Geschichte habe ich vor genau 14 Jahren geschrieben. Damals hatte der Märkische Bote dazu aufgerufen aus Anlass des 10. Jahrestages der Deutschen Einheit die persönliche Geschichte im Zusammenhang mit der Wende zu erzählen. Der folgende Beitrag von mir wurde preisgekrönt, mit einer Prämie gewürdigt und abgedruckt: "Jetzt fängt mein neues Leben an", sagte mein Sohn "Erzähl mir doch ein bisschen von früher", forderte mich mein Sohn auf. Er liebte es schon immer, wenn mein Mann oder ich Geschichten aus meiner Kindheit oder ähnliches erzählten. In Gedanken ließ ich meine Kinder- und Jugendzeit an mir vorüberziehen. Plötzlich fiel mir der dicke, gelbe Teddy ein, den ich mit zwei Jahren von einer Tante meiner Mutter geschenkt bekommen hatte und den ich über alles geliebt hatte. Lebensgenießer: Wann fängt mein Leben an - Rapunzel neu verföhnt. So erzählte ich ihm: "Ich kann mich noch gut erinnern, als ein Päckchen aus der Ostzone bei uns ankam, in dem mein "Chruschtschow" lag! " Schon beim ersten Satz erkannte ich jedoch an den großen Augen meines Sohnes, dass er nur "Bahnhof" verstand, also fing ich anders an: "Du weißt doch, dass Timmis Eltern früher hinter der großen Mauer in der DDR gelebt haben…" Ja, genau so war das.